Was steht da eigentlich auf meiner Verordnung?
Wörterbuch der wichtigsten kindlichen Störungsbilder
1. Sprachentwicklungsstörungen> mehr
Sprachentwicklungsstörungen (SES) betreffen die Kommunikation, das Sprachverständnis, den Wortschatz und die Laut-, Wort- und Satzbildung. Bei einer SES sind oft mehrere Bereiche gleichzeitig betroffen.
Die Störungen des Lauterwerbs, des Wortschatzes und der Grammatik können zusammen, aber auch isoliert auftreten.
- Störung des Lauterwerbs
Störungen beim Erwerb der Laute können die Anzahl der Laute und die Regel ihrer Kombination zu Wörtern, also das Lautsystem, betreffen.
Beispiel: Wenn das Kind zum Beispiel den Laut /g/ noch nicht erworben hat und ihn immer durch /d/ ersetzt, äußert sich dies darin, dass es anstelle von "Giraffe" "Diraffe" sagt. - Störung des Wortschatzes
Störungen beim Aufbau des Wortschatzes (lexikalische Störungen) können sowohl den Wortschatzumfang als auch die Merkmale der einzelnen Wörter betreffen.
Beispiele: Dem Kind fehlen zur Kommunikation notwendige Wörter wie Nomen (z.B. Hund, Auto), Verben (z. B. laufen, essen) oder Adjektive/Adverbien (z.B. schön, groß).
Häufig setzt das Kind unspezifische Wörter wie "Dings", "machen" oder "so" ein. - Störung der Grammatik
Störungen der Grammatik können Wörter und Sätze betreffen. Beispielsweise wenn Endungen an Wörtern fehlen oder nicht korrekt sind.
Beispiele: Die Kinder lassen zum Beispiel die Vorsilbe "ge-" weg ("Ich habe spielt.") oder verwenden Verben nicht richtig ("Du gehen ..."). - Störungen des Textverständnisses und der Textproduktion
Kinder mit Störungen des Textverständnisses und der Textproduktion haben Schwierigkeiten, Erlebtes in korrekter Reihenfolge zu erzählen und Inhalte des Erlebten zusammenhängend darzustellen. Die Störung wird meistens erst um das 5. Lebensjahr deutlich, wenn das Kind aufgrund seiner Sprachentwicklung über einen ausreichend großen Wortschatz und grammatische Fähigkeiten (Satzbildung) verfügt.1
2Beispiel: Ein Kind im Alter von 5 bis 6 Jahren erzählt seiner Lehrerin von seinem liebsten Geburtstagsgeschenk und was man damit machen kann. Die Lehrerin kann aufgrund der Beschreibung aber keine Vorstellung entwickeln, welche Art von Geschenk das sein soll.
2. Kindliche Aphasie> mehr
Eine kindliche Aphasie liegt vor, wenn Kinder durch eine akute Hirnschädigung einen teilweisen oder auch vollständigen Verlust der bis dahin erworbenen sprachlichen Fähigkeiten erleiden. Dies stellt einen wesentlichen Unterschied zu Störungen der Sprachentwicklung dar. Heute weiß man, dass alle Symptome, die bei Erwachsenen mit Aphasie beschrieben werden, auch bei Kindern und Jugendlichen zu beobachten sind.
- Symptome einer kindlichen Aphasie
Bei einer Aphasie können unter anderem fehlende Sprache, Störungen der Spontansprache mit Wortfindungsstörungen, Paraphasien (Laut- oder Wortverwechslungen), Agrammatismus (Wörter können nicht mehr flektiert werden) sowie Sprachverständnisprobleme, und Störung des Benennens auftreten.
Die Aphasie bei Kindern und Jugendlichen hat häufig auch weitreichende und teilweise lang andauernde Folgen für das familiäre und soziale Leben der Betroffenen und Angehörigen.
3. Störungen der Schriftsprache, Lese-Rechtschreibschwäche (LRS)> mehr
Die LRS ist eine Teilleistungsstörung, d.h. das Kind hat, bei einer durchschnittlichen oder überdurchschnittlichen allgemeinen Begabung, ausschließlich in den Bereichen Lesen und / oder Schreiben große Schwierigkeiten. International wird eine Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) als "Entwicklungsstörung des Lesens und Schreibens" definiert. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt die LRS als eine "Entwicklungsbeeinträchtigung schulischer Fertigkeiten". In Deutschland werden die Begrifflichkeiten LRS und Legasthenie (auch Entwicklungsdyslexie/dysgraphie) synonym verwendet.
Eine nicht therapierte LRS besteht häufig bis in das Erwachsenen- und damit auch in das Berufsleben hinein.
Merkmale einer LRS im Schulalter:
- Probleme beim Schreiben (z. B. Buchstabenauslassungen oder Vertauschungen, Probleme beim Abschreiben oder ein unharmonisches Schriftbild),
- erschwertes Lesenlernen (z. B. fehlendes Leseverständnis),
- Schwierigkeiten, einzelne Laute zu unterscheiden
- Schwierigkeiten, zu Reimen
4. Störungen des Sprechens> mehr
Unter "Sprechen" wird die motorische Ausführung von Sprachlauten verstanden, d.h. die Fähigkeit die gedachten Laute, Wörter, Sätze oder Texte aufgrund der Sprechbewegung verständlich und im passenden Redefluss zu äußern. Die verschiedenen Sprechstörungen bei Kindern lassen sich in 2 große Gruppen unterteilen: Störungen der Bildung von Lauten (Artikulationsstörungen) und Redeflussstörungen (Stottern/Poltern).
- Artikulationsstörungen
Artikulationsstörungen sind Abweichungen bei der Aussprache von Lauten bzw. Lautverbindungen aufgrund von sprechmotorischen Problemen. Bei Artikulationsstörungen entspricht die Lautbildung eines oder mehrerer Laute nicht dem sogenannten "Standardmuster" einer Sprache, d.h. ein Laut wird nicht oder falsch gebildet. Am häufigsten sind im Deutschen die Zischlaute davon betroffen. Diese artikulatorische Auffälligkeit wird auch als "Sigmatismus" bezeichnet und kommt in verschiedenen Ausprägungen vor. - Stottern
Stottern beginnt meist im Alter zwischen 2 und 5 Jahren. Kinder, die stottern, verlieren für Momente die Kontrolle über ihr Sprechen.
Dabei gibt es drei sogenannte Kernsymptome:
o unfreiwilligen Wiederholungen (Ka-ka-ka-katze)
o Verlängerung von Lauten (Mmmmmmaus)
o Blockierungen, bei denen die Sprechbewegung völlig „steckenbleibt“ (--------apfel). - Kindliche Sprechapraxie
Die Sprechapraxie ist eine Störung der Planung von Sprechbewegungen. Sie zeigt sich im Bereich von Artikulation, Sprechmelodie und -rhythmus (Prosodie) sowei dem Sprechverhalten. Bei der Artikulation kommt es häufig zu lautliche Abweichungen bzw. Entstellungen von Lauten. - Verbale Entwicklungsdyspraxie
Die Symptome sind vergleichbar denen der Sprechapraxie, d.h. die Planung der Sprechbewegungen ist gestört. Begleitend kann oft beobachtet werden, dass die Kinder grobmotorisch ungeschickt sind.
Die Sprachentwicklung dieser Kinder ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nur wenige Lalllaute produzieren. In den ersten Lautproduktionen fehlen die Konsonanten, sie produzieren eine Art "Vokalsprache" (z. B. "aaoo"). Häufig sind diese Kinder als Baby eher still und haben einen verspäteten Sprechbeginn (sogenannte "Late Talker").
5. Stimmstörungen> mehr
Stimmstörungen bei Kindern machen sich meist durch länger anhaltende Heiserkeit (ohne akuten Infekt) bemerkbar. Die Stimme ist wenig belastbar und kann manchmal ganz wegbleiben. Die Stimme kann rau und gepresst oder kraftlos und hauchig klingen und eventuell nur sehr leise sein. Es können funktionelle oder organische Ursachen zugrunde liegen.
6. Schluckstörungen> mehr
Kindliche Schluckstörungen (Dysphagien) können, vom Säuglingsalter an, in jeder Altersstufe auftreten.
Bei einer kindlichen Dysphagie haben die Kinder Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme.
Zum einen können sie Nahrung nicht in ausreichenden Mengen zu sich nehmen, zum anderen fällt es den Kindern schwer, ihre Nahrung in der altersentsprechenden Konsistenz (flüssig, breiig, fest) zu verarbeiten. Auch der Bewegungsablauf vor und während des Schluckens ist häufig nicht altersentsprechend. Manchmal sind die Kinder zu wenig oder gar nicht in der Lage, Nahrung über den Mund aufzunehmen und müssen über eine Sonde ernährt werden.
Die Ursachen hierfür können sehr unterschiedlich sein.
In der logopädischen Befunderhebung und Therapie versuchen wir, die möglichen Ursachen zu ermitteln. Wir erarbeiten Wege zur verbesserten Nahrungsaufnahme und leiten die Eltern für eine Unterstützung zu Hause an. Bei Kindern, die mithilfe einer Sonde ernährt werden, ist es unser Ziel, eine orale Nahrungsaufnahme anzubahnen, um eine Sondenentwöhnung zu ermöglichen oder vorzubereiten.
Generell gilt, dass bei jeglichen auftretenden Problemen bezüglich der Nahrungsaufnahme oder bei einer bereits bekannten verursachenden Grunderkrankung eine Schluckstörung ursächlich sein kann. Es sollte auf jeden Fall ärztlicher Rat eingeholt werden!
7. Ess- und Trinkstörungen> mehr
Bei einer (früh-)kindlichen Ess- und Trinkstörung haben die Kinder Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme.
Die Auswirkungen sind oft ähnlich wie bei den oben beschriebenen Schluckstörungen – die Kinder können nicht ausreichend altersentsprechend ernährt werden. Die Ursachen dafür unterscheiden sich aber deutlich:
Für die kindliche Ess- und Trinkstörung gibt es sehr unterschiedliche Ursachen.
Es gibt Kinder, bei denen eine Wahrnehmungsstörung im Mund-Gesichtsbereich zugrunde liegt. Diese Kinder empfinden häufig Berührungen von außen anders. Manche Kinder sind sehr sensibel und andere spüren Bewegungen oder Berührungen nur wenig.
Wir versuchen in der logopädischen Befunderhebung die möglichen Ursachen zu ermitteln. In der Therapie erarbeiten wir Wege zur verbesserten Nahrungsaufnahme und leiten die Eltern für eine Unterstützung zu Hause an. Bei Kindern, die mithilfe einer Sonde ernährt werden, ist es unser Ziel, eine orale Nahrungsaufnahme anzubahnen, um eine Sondenentwöhnung zu ermöglichen oder vorzubereiten.
Da in diesem Bereich oft auch primär oder sekundär psychische Ursachen zugrunde liegen, arbeiten wir hier meistens mit Psychologen oder Beratungsstellen zusammen.
Generell gilt, dass bei jeglichen auftretenden Problemen bezüglich der Nahrungsaufnahme oder bei einer bereits bekannten verursachenden Grunderkrankung eine Schluckstörung ursächlich sein kann. Es sollte auf jeden Fall ärztlicher Rat eingeholt werden!
8. Funktionelle orofaziale Störungen (Myofunktionelle Störungen)> mehr
Bei einer funktionellen orofazialen Störung handelt es sich um eine Störung der Muskulatur im Mund-Gesichtsbereich. Betroffen sind die Bewegungs- und Koordinationsabläufe sowie das muskuläre Gleichgewicht aller am Schlucken beteiligten Strukturen. Der Grund dafür ist häufig eine isolierte Fehlfunktion der Wangen-, Lippen- und Zungenmuskulatur.
Folgende Symptome können im Rahmen einer funktionellen orofazialen Störung auftreten:
fehlender Mundschluss, Mundatmung, vermehrter Speichelfluss, die Zunge stößt beim Sprechen und Schlucken zwischen die Zähne.
Die Muskelbalance im Mund-, Gesichts-, und Halsbereich erscheint nicht harmonisch.
Mögliche Folgen einer nicht behandelten funktionellen orofazialen Störung können sein:
Zahn- und Kieferfehlstellungen, eine gestörte Kau-, Beiß- und Schluckentwicklung, sowie eine „verwaschene“ und/oder „feuchte“ Aussprache.